Ist der Widerstand der SPD gegen bewaffnete Drohnen der Bundeswehr gerechtfertigt?

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Offener Brief an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages

Guten Tag, liebes Mitglied des Verteidigungsausschusses,

Der Krieg um Bergkarabach bis zum 10.11.2020 wurde beendet wegen der Übermacht der aserbaidschanischen Streitkräfte mit Unterstützung durch syrische Söldner und türkische Kampfdrohnen. Es gab insgesamt mehr als 7.000 Tote, die Zählungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Drohnen richteten große Schäden auf der Seite von Armenien und Arzach an. Gleichwohl war die Zahl der Toten auf aserbaidschanischer Seite vergleichbar mit der der Gegenseite, die keine Drohnen einsetzte. Das bedeutet, dass es eine irreführende Feststellung ist, Drohnen würden Soldaten schützen. Der Krieg war nach dem Völkerrecht insgesamt verboten, da alle Seiten Gewalt auf dem jeweils anderen Territorium einsetzten. Militärische Gewalt ist nur völkerrechtlich erlaubt zur eigenen Verteidigung. Dies war zu keiner Zeit als Grund zur Gewaltanwendung gegeben.

Ein Staat, der bewaffnete Drohen besitzt, muss damit rechnen, dass im Kriegsfall der Gegner versuchen wird, die Einsatzkräfte der Drohnen zu zerstören und die Steuer-Einheiten zu vernichten. Gegen Ende des Bergkarabach-Krieges störten russische Kräfte den aserbaidschanischen Drohneneinsatz mit elektronischen Mitteln.

Bewaffnete Drohnen und Kamikaze-Drohen können jeden Krieg grausamer machen und kostengünstig die Zahl der Opfer auf der Gegnerseite erhöhen. Es wird preiswerter, Kriege zu führen, die Abwehr von Drohnenangriffen ist teuer. Daraus erwächst die Tendenz, dass Kriege immer zerstörerischer werden und leichter zu führen. Der Besitz von Drohnen erhöht die Wahrscheinlichkeit, verdeckte Kriege und Hinrichtungen ohne gerichtliche Verurteilung auszuführen.

Deshalb sollte der Bundestag aus der Sicht der Friedensinitiative Dresden die Bewaffnung von Drohnen nicht erlauben und dieser Tendenz aktiv entgegenwirken. Außerdem sollten die Mitglieder des Bundestages und insbesondere des Verteidigungsausschusses und das Deutsche Außenamt aktiver die Bevölkerung über Drohnen aufklären und stärker in die öffentliche Diskussion einsteigen. Sie sollte aktiv den Mythos über den Schutz eigener Soldaten durch Drohnen enttarnen. Am wichtigsten sind Anstrengungen zur Ächtung der Entwicklung, Produktion, Weitergabe und des Einsatzes von autonomen und teilautonomen Waffen wie Drohnen und Kamikaze-Drohnen.

Das Hauptargument der Befürworter lautet: Drohnen zum Schutz unserer Soldaten, die im Ausland auf Grundlage völkerrechtlicher Mandate eingesetzt sind. Das sei eine humanistische Notwendigkeit. Das ist nichts anderes als der alte Grundsatz: Menschenrechte durch die Verletzung von Menschenrechten zu verteidigen. Das hat noch nie ohne enorme menschlichen Verluste funktioniert. Der einzige gangbare Weg: „Sicherheit neu denken“ – schrittweise und konkrete Ersetzung militärischer Gewalt durch zivile, völkerrechtlich legitime Maßnahmen. Zivile Krisenprävention und Ächtung der Drohnen bei den Angreifern und bei denjenigen, die mit der Produktion dieser Tötungsmaschinen beitragen, ein friedliches Zusammenleben der Völker zu verhindern.

Das Argument „Drohnen zum Schutz der Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen“ hält einer konkreten Untersuchung nicht stand. „Seit 1992 kamen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr 114 Bundeswehrangehörige (Soldaten) nach Angaben der Bundeswehr vom 21. Oktober 2019 ums Leben. Davon fielen 37 durch Fremdeinwirkung und 22 starben durch Suizid.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Todesf%C3%A4lle_der_Bundeswehr_bei_Auslandseins%C3%A4tzen Die allermeisten toten Bundeswehrsoldaten entstanden durch Umstände, die mit bewaffneten Drohnen nicht hätten vermieden werden können. Aus unserer Sicht erweist sich das Argument als weitgehend unbegründet und ist eine Täuschung der deutschen Bevölkerung, vielleicht über die wahren möglichen Einsatzgründe der bewaffneten Drohnen.

Gern möchten wir über die verschiedenen Gesichtspunkte auf dem Weg zur Ächtung von bewaffneten Drohnen und der automatischen oder autonomen Kriegführung mit Robotern, IT und KI ins Gespräch kommen. Gern per Mail, Skype … oder persönlich.

Freundlich grüßen, für die Friedensinitiative Dresden
Eberhard König und Friedrich Naehring

Weitere Infos zum Thema:
14.12.20 https://www.heise.de/tp/features/Liebe-SPD-Abgeordnete-stoppen-Sie-das-Toeten-mit-Drohnen-jetzt-4989004.html
15.05.15 https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/militaerische-drohnen-einschraenken-bewaffnete-drohnen-aechten/
15.02.20 https://www.katholisch.de/artikel/24322-schutz-oder-eskalation-wie-gerecht-ist-der-weltweite-drohnenkrieg
16.12.20 https://www.friedenskooperative.de/kampfdrohnen-erfolg-der-friedensbewegung

Diesen Brief sandten wir auch an das Bundesministerium für Verteidigung: „Wir unterrichten Sie über den heute gesendeten Offenen Brief an …“

Anhang 1

Wir empfehlen allen am Thema interessierten, eigene Meinungsäußerungen an Mitglieder des Bundestages und andere Politiker zu schicken. In dem Blogeintrag https://www.friedendresden.de/abruesten-brief-versenden-klassisch-per-mail/ konnte die Mailadressen aller MdBs herunterladen. Die Datei war dort in zwei Dateiformaten erhältlich: PDF und OpenOffice. Die Liste der MdBs war in Blöcke nach Bundesländer untergliedert, in diesen alphabetisch nach Namen.

Hier stellen wir die gleichen MdBs, nur sortiert nach Name, zu Verfügung, sowohl als PDF als auch als OpenOffice. Man kann die Namen mit der Suchfunktion suchen, in der OpenOffice-Datei auch mit der Funktion „Auto-Filter“. In einer Extra-Spalte ist angegeben, ob es sich um ein Mitglied des Verteidigungsausschusses (m), den Vorsitzenden (v) oder Stellvertretenden Vorsitzenden (sv) des Verteidigungsausschusses (VA) handelt. Man könnte in weiteren Spalten auch die Mitglieder anderer Gruppierungen des Bundestages, z.B. Haushaltsausschuss, Fraktion SPD, Ethikkommission, kennzeichnen.

Anhang 2

Ingo Karras von der Friedenskooperative Cottbus hat auch einen guten Text an Mitglieder des Bundestages geschrieben:

23. Dezember 2020
An: Direktkommunikation direktkommunikation@spdfraktion.de
Betreff: Abstimmung zu Killerdrohnen

Sehr geehrte Mitglieder und Abgeordneten der SPD,

bei der Abstimmung zur exorbitanten Erhöhung des Militärbudgets und zur Anschaffung von Killerdrohnen möchte ich Sie herzlich bitten dagegen zu stimmen.

Diese Milliardenbeträge derartig zu verschwenden ist unmöglich und auch nicht notwendig. Als Ingenieurwissenschaftler möchte ich mit These und Nachweisführung vorgehen.

Ich stelle die These auf, dass es keine militärische Bedrohung gibt, welche diese Milliardenbeträge rechtfertigen würde.

Als Nachweisführung dieser These verweise ich auf Österreich. Dieses Nachbarland ist nicht in der NATO und hat nur eine kleine Armee. Alle Jahrzehnte nach 1945 wurde Österreich von niemanden überfallen.

Wenn Sie nicht sowieso schon gegen diese Militärmilliarden stimmen wollten, bedenken Sie bitte insbesondere unsere Interessen an Frieden und gute Beziehungen zu Russland sowie den Bedarf an Milliarden für die Umstrukturierung in meiner Region.

Mit freundlichen Grüßen aus Cottbus

Ingo Karras

PS: Anbei ein Foto von meiner Beteiligung, gemeinsam mit Studierenden aus dem Kriegsland Jemen.

Abrüsten-statt-Aufrüsten-Kundgebung am 05.12.2020 in Cottbus

Antwort 22.Dezember

Guten Tag,

vielen Dank für Ihre Mail an die SPD-Bundestagsfraktion. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir angesichts der Vielzahl an Zuschriften nicht auf jedes Schreiben individuell antworten können.

Um es deutlich voranzustellen: Innerhalb der Fraktion wurde keine finale Entscheidung bezüglich der Beschaffung bewaffneter Drohnen getroffen. Gerne möchten wir Ihnen den aktuellen Stand der Debatte und unsere Position näher erläutern:

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Jeder Einsatz muss von uns als Parlament mandatiert werden. Das bringt eine hohe Verantwortung mit sich, derer wir uns bewusst sind. Klar ist für uns: Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verdienen die bestmögliche Ausrüstung und Schutz sowie den höchsten Grad an Ausbildung.

Aktuell wird in der SPD-Bundestagsfraktion darüber diskutiert, ob und eventuell wie bewaffnete Drohnen Teil dieser Ausrüstung sein können. Bewaffnete Drohnen sind aber nicht ein Ausrüstungsgegenstand wie jeder andere: In der Öffentlichkeit ist vor allem die Nutzung von Drohnen durch andere Staaten präsent, die sie oftmals für gezielte Tötungen verwendet und dabei auch zivile Opfer in Kauf genommen haben. Um Klarheit über Nutzung und Grenzen des Einsatzes von Drohnen zu schaffen und den Zwiespalt zwischen den Risiken und den Vorteilen bewaffneter Drohnen aufzulösen, haben wir deshalb im Koalitionsvertrag eine breite Debatte über die Bewaffnung von Drohnen vereinbart.

Die Verteidigungs-, Außen-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitiker*innen der SPD-Bundestagsfraktion haben vor diesem Hintergrund einen strikten Anforderungskatalog formuliert, der einen wie von anderen Staaten durchgeführten Missbrauch ausschließen und eine ausschließliche Nutzung zum defensiv ausgerichteten Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten sicherstellen soll.

Nun hat vor wenigen Wochen der massive Einsatz von bewaffneten Drohnen als Angriffswaffe im Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien neue grundlegende Fragen zur Bewaffnung von Drohnen aufgeworfen. Dieser Krieg hat deutlich gemacht: Drohnen können als Angriffswaffe eingesetzt werden und sie können kriegsentscheidend sein. Durch diesen Krieg, der kein asymmetrischer Konflikt war, hat sich das gesamte Koordinatensystem der Debatte verschoben. Dies macht eine weitreichende Debatte dringend nötig, die dieser neuen Entwicklung der praktischen Kriegsführung Rechnung trägt.

Wir müssen feststellen, dass die mit der Union im Koalitionsvertrag vereinbarte Debatte nicht in der Form und in dem Ausmaß stattgefunden hat, die es uns ermöglichen würde, auch diese Fragen abschließend zu beurteilen. Dies liegt neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie auch daran, dass die Debatte unnötig aufgeschoben wurde – sie war bereits 2018 vereinbart, wurde aber erst im Frühjahr 2020 durch das Bundesverteidigungsministerium angestoßen.

Für einen jetzt beschworenen Zeitdruck sehen wir keinen Grund. Aktuell besteht keine Notwendigkeit eine Entscheidung zu treffen. Eine umfassende gesellschaftliche und nicht nur parlamentarische Debatte ist hingegen geboten. Als verantwortlich handelnde Friedenspartei ist es unser Anspruch, uns keinem künstlich geschaffenen Zeitdruck zu unterwerfen, sondern diese Debatte offen, breit und mit der gesamten Gesellschaft zu führen und dabei neben dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten auch die Risiken der Bewaffnung von Drohnen kritisch abzuwägen.
Freundliche Grüße

Team Direktkommunikation

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